Richtig streiten lernen - im Beruf, in der Familie oder Beziehung und unter Freunden
Du kennst das vielleicht: Du unterhältst dich mit deinem Partner oder deiner Partnerin, mit Kollegen oder einem Freund bzw. einer Freundin. Plötzlich bekommt jemand etwas in den falschen Hals – und es kracht. Du kannst regelrecht dabei zusehen, wie der Streit mit jedem Satz schlimmer wird.
Dabei willst du das eigentlich gar nicht. Aber einfach nachgeben – das geht auch nicht. Also kämpfst du mit deinen Worten, selbst wenn es dir die Brust zuschnürt. Und du eigentlich nur möchtest, dass es aufhört.
Wie kommt man aus einer solchen Situation wieder heraus? Gibt es vielleicht sogar Wege, sie komplett zu vermeiden? Die gute Nachricht: Ja, gibt es. Allerdings kannst du immer nur dich selbst verändern. Das kann schon viel bewegen. Ob das immer reicht, hängt aber vom Einzelfall ab.
Was sind eigentlich die Ursachen von Konflikten?
Es gibt viele Modelle, die erklären, wie Streit entsteht. Eines der bekanntesten ist das Drama-Dreieck aus der Transaktionsanalyse. So hilfreich das Konzept sein kann: Mir persönlich fehlt das Gefühl, das hinter den einzelnen Rollen steht.
Richtig streiten lernen heißt nicht nur, eine Situation kognitiv zu analysieren. Warum sehen wir einen anderen als Täter? Wieso verlieren wir im Streit manchmal die Kontrolle über unsere Gefühle?
Um das zu verstehen, gehen wir noch einen Schritt weiter zurück.
Als Menschen sind wir darauf ausgelegt, unsere Bedürfnisse zu erfüllen und unser Überleben zu sichern. Ein Streit kostet Energie, ist also erst einmal nichts, was dir dabei hilft, zu überleben. Es sei denn, …
- der Streit verhindert, dass eine für dich wichtige Grenze überschritten wird.
- du sicherst dir mit dem Streit wichtige Ressourcen, etwa Zeit oder auch emotionale Ressourcen wie Aufmerksamkeit, Anerkennung oder Zuneigung.
Ja, das ist es tatsächlich schon! Ganz einfach, oder? Nein, natürlich nicht. Richtig streiten lernen bedeutet, zu verstehen, dass wir Menschen komplexe Wesen sind. Und wir alle haben unsere ganz eigene Geschichte, unsere Erfahrungen, die mit in die Entscheidung einspielen, ob sich ein Streit für uns lohnt. Dadurch meiden manche Menschen einen Streit zu lange, während andere zu früh eine eigentlich unnötige Auseinandersetzung beginnen.
Es kann zudem von der konkreten Situation oder deinem Gegenüber abhängen, wann und wie heftig du in die Defensive oder Offensive gehst. Vermutlich reagierst du vor allem so, wenn…
- du ahnst, dass bald eine für dich wichtige Grenze überschritten wird.
- du Angst hast, dass dir etwas weggenommen wird, was dir wichtig ist.
- du an frühere Situationen erinnert wirst, in denen dir ähnliches passiert ist.
Sind wir einmal im “Kampfmodus”, läuft unser Verhalten häufig zumindest teilweise unbewusst ab. Und das bedeutet: Du reagierst automatisch. Es ist, als würde ein Knopf gedrückt werden, und plötzlich startet ein Programm, das du nicht mehr aufhalten kannst. Was Sinn macht, denn dein Unterbewusstes will ja für dich wichtige Bedürfnisse schützen.
Um richtig streiten zu lernen, müssen wir einen Weg finden, unsere unbewussten Auslöser zu erkennen, und die bewusste Kontrolle über unser Handeln zurückzugewinnen.
Eine erste Deeskalation
In vielen Fällen kannst du eine Situation durch einen recht einfachen Trick entschärfen. Wenn wir streiten, dann bekommen wir oft eine Art Tunnelblick. Dein Gegenüber ist keine ganze Person mehr, mit der dich vielleicht sogar viel verbindet. Du siehst nur noch den Angreifer, der deine Grenzen überschreiten oder dir etwas wegnehmen will. Das kann sogar überforderten Eltern mit ihren Kindern so gehen – egal, wie schlecht das Gewissen im Nachhinein ist.
Der Tunnelblick bezieht sich aber auch auf dich selbst. Wenn der Streit eskaliert, dann wirst du zum Verteidiger. Alles andere, was dich ausmacht, tritt in den Hintergrund. Und dein Gegenüber nimmt das wahr. Vielleicht steht ihr euch gegenüber wie zwei zähnefletschende Wölfe. Oder auch wie ein erstarrtes Reh vor einem fahrenden Auto.
Hier hilft es, wenn du dir bewusst machst, dass du mehr als das bist. Du wirst gerade von einem Gefühl übermannt, aber du hast trotzdem viele andere Gefühle in dir. Deine Sprache daran anzupassen, kann wie ein Wundermittel wirken.
Mach in deinen Worten klar, dass es nur ein Teil von dir ist, der so reagiert. Das hat gleich zwei Effekte: Du nimmst innerlich ein wenig Abstand von deinem Gefühl und lässt dich nicht komplett davon überwältigen. Und du zeigst dem Anderen, dass da eben noch mehr ist. Dass dein momentaner Ärger erst einmal nichts an all den anderen Gefühlen ändert, die du für die Person hegst.
Beginne Sätze beispielsweise mit “Ein Teil von mir fühlt…”.
Ein weiterer positiver Effekt ist, dass du damit vor allem über dich sprichst. Denn es geht ja um deine Grenzen, deine Bedürfnisse.
Mit Konflikten umgehen lernen: Die Intention ist wichtig
Du möchtest Konflikte bewältigen, lernen, sie zu lösen oder sogar ganz zu vermeiden. Dabei ist eine Sache von besonderer Bedeutung: Du führst den Konflikt nicht alleine. Und du kannst dein Ziel nur erreichen, wenn dein Gegenüber dieses Ziel teilt.
Bist du beispielsweise in einer Beziehung, in der ihr eure Konflikte wirklich lösen wollt, ist das ein gutes Fundament. Streitest du aber mit einem unfairen Vorgesetzten oder anderen Personen in Machtpositionen, denen deine Bedürfnisse egal sind, und die nur wollen, dass du funktionierst – dann hast du schlechte Karten. Manchmal bleibt dir dann nichts anderes übrig, als auf Abstand zu gehen, um für deine Bedürfnisse zu sorgen
Achte also darauf, ob die anderen Beteiligten wirklich an einer Lösung interessiert sind – oder nur daran, zu gewinnen. Wenn du das Gefühl hast, dass es nicht um eine Lösung geht, kannst du deine Vermutung vielleicht ansprechen. Vertraue hier auf dein Bauchgefühl. Vielleicht bist du für bestimmte Kämpfe auch einfach noch nicht bereit. Auch das ist in Ordnung.
Mit Konflikten umgehen lernen bedeutet auch, einzuordnen, in welchen Auseinandersetzungen man überhaupt eine Chance hat.
Verständnis als gemeinsames Ziel
Im Grunde geht es in jedem Streit um Bedürfnisse. Um einen Streit zu klären, ist es deshalb wichtig, die Bedürfnisse des Gegenübers zu verstehen – und auch deine eigenen geltend zu machen. Letztlich geht es immer um die Frage: Welche deiner Grenzen oder Ressourcen versuchst du zu schützen? Und was versucht der andere zu schützen?
Wenn das klarer wird, ist es auch möglich, sich einander wieder anzunähern. Zeigt dein Gegenüber, dass er das respektiert, was du beschützen möchtest, dann kann ein größeres Vertrauen entstehen. Und ihr könnt darüber sprechen, welche Auslöser dazu geführt haben, dass ihr in den Verteidigungs- oder Angriffsmodus gegangen seid.
Konflikte lösen lernen braucht Zeit
Es kann es manchmal sehr persönlich werden, wenn man einen Streit auflösen möchte. Vielleicht sind es sogar negative Kindheitserinnerungen, die sich hinter einem Konflikt verbergen. So etwas zu offenbaren, braucht möglicherweise mehr Vertrauen, als im Moment da ist. Dann solltest du dich nicht zur Offenheit zwingen. Lass dir Zeit, um das Vertrauen Schritt für Schritt aufzubauen und immer wieder zu prüfen, ob es tatsächlich angebracht ist.
Und solltest du enttäuscht werden, dann darfst du deine Grenzen ziehen. Denke aber daran, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Vielleicht kannst du mit einer Person über bestimmte Themen sehr gut reden, über andere aber überhaupt nicht. Und manchmal ändert sich das auch im Laufe der Zeit.
Auf keinen Fall solltest du einfach einen Streit aushalten: Lernen, Konflikte zu lösen, bedeutet nicht, all deine eigenen Bedürfnisse zur Seite zu schieben. Mit Konflikten umgehen lernen, bedeutet, dass alle Beteiligten respektvoll miteinander umgehen.
Gelingt das, kann ein Streit zu einer Chance werden, gemeinsam zu wachsen. Und je mehr Verständnis man für den Anderen entwickelt, desto mehr lernt man, Konflikte zu lösen, bevor sie eskalieren.
Mit Konflikten umgehen lernen: Wie dir Coaching dabei helfen kann
Du willst deinen Umgang mit dir selbst und anderen verbessern, und lernen, konstruktiver mit Auseinandersetzungen umzugehen. Das ist großartig!
Sollten dir die Tipps, die du in meinem Artikel gefunden hast, nicht ausreichen, stehe ich dir gerne als Coach zur Seite. Gemeinsam finden wir heraus, was du brauchst, um für zukünftige Konflikte besser gewappnet zu sein.
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